Nierensteine; Foto von Jeremy Bishop auf Unsplash

Entstehungsprozess von Harnsteinen

16.7.2023

Wie entstehen Nierensteine?

Nierensteine, oder allgemein Harnsteine entstehen multifaktoriell und können sich akut, meist jedoch in länger andauerndem Prozess bilden. Sie unterscheiden sich in Zusammensetzung und Größe und bleiben für Betroffene bis zum Abgang mit dem Urin und der damit verbundenen schmerzhaften Nierenkolik häufig unbemerkt. Die primären therapeutischen Maßnahmen einer solchen Nierenkolik sind oft unabhängig von der zum Stein führenden Ursache - dennoch soll hier die Komplexität der Steinbildung und vor allem die Relevanz der genaueren Steindiagnostik zusammenfassend dargestellt werden.

Nierensteine verstehen sich als Folge bestimmter Risikokonstellationen oderVorerkrankungen

Am häufigsten setzen sich die Steine aus Calciumoxalaten (80%), Harnsäure (10%), Struvit (<5%) und Cystin oder Xanthin (<1%) zusammen. All diese Stoffe oder zumindest nahe chemische Verwandte kommen natürlicherweise als Zwischenprodukte des menschlichen Stoffwechsels vor - übermäßig im Urin konzentriert können sie Harnsteine verursachen. Oben genannte Stoffe wie Harnsäure, Oxalat, Cystin oder Xanthin können sowohl relativ, als auch absolut erhöht sein, vermehrte Nahrungsaufnahme oder körpereigener Produktion können also den gleichen Effekt haben wie eine verminderte Trinkmenge oder gestörte Ausscheidung. Im Folgenden sollen die einzelnen Mechanismen vereinfacht erläutert werden:

Calciumoxalatsteine

Calciumoxalat kann sich an bestimmten Stellen der Wände der mikroskopischen Nierenkanälchen bei erhöhter Oxalatkonzentration absetzen, wenn bestimmte Risikokonstellationen zusammentreffen. Die genauen Mechanismen sind hochkomplex und Gegenstand der Forschung. Männliche Sexualhormone scheinen das Steinbildungsrisiko zu erhöhen, ebenso wie ein stark erhöhter Calciumspiegel im Urin.

Harnsäuresteine

Harnsäuresteine entstehen, wenn die Harnsäurekonzentration im Urin stark erhöht ist. Häufige Ursachen sind eine Erkrankung an Gicht oder die plötzliche Freisetzung großer Mengen Harnsäure aus zerstörten Zellen (z.B. Tumorzellen bei wirkungsvoller Chemotherapie). Auch Medikamente, die die Ausscheidung von Harnsäure fördern sollen, können die Kristallisation begünstigen.

Struvitsteine

Magnesiumhaltige Struvitsteine sind mit speziellen bakteriellen Harnwegsinfektionen assoziiert, sie stellen also ein akutes Geschehen dar. Spaltprodukte der im aufgrund der Infektion vorliegenden Bakterien sorgen für einen Anstieg des pH-Wertes (Alkalisierung), welcher die Steinbildung herbeiführt.

Cystinsteine

Cystinsteine entstehen bei an Cystinurie erkrankten Menschen. Durch einen Gendefekt sind bestimmte Transportproteine in der Niere nicht funktionsfähig, Cystin akkumuliert und kristallisiert im übersäuerten Urin. Mittlerweile weiß man, dass Bakterien in Darm und Harntrakt sowohl Risiko- als auch Protektivfaktor in Bezug auf Harnsteinbildung sein können. Der Verdauungstrakt samt Mikrobiom und seinen Gewebeanteilen mit Immunzellen ist in den letzten Jahren vermehrt in den Vordergrund medizinischer Forschung gerückt – ein gesunder Darm ist ein wichtiger Faktor zum allgemeinen Wohlbefinden. Weiterhin können aus den meisten Nierensteinen sogenannte Nanobakterien isoliert werden, die Wissenschaft ist sich jedoch uneins darüber, was Nanobakterien eigentlich sind und inwieweit sie eine tragende Rolle bei der Entstehung von Harnsteinen einnehmen.

Welche Konsequenzen hat die Zusammensetzung der Harnsteine für Patientinnen und Patienten?

Einen wirklichen Nutzen für betroffene Menschen kann diese Zusammenfassung nur haben, wenn sich aus den Ursachen auch gewisse therapeutische oder präventive Maßnahmen herleiten. Zum einen soll darauf hingewiesen werden, dass genaue biochemische Hintergründe der Steinentstehung hochkomplex und multifaktoriell bedingt sind und sich viele pharmakologische Ansätze noch in klinischer Erprobung befinden. Beispielsweise wird an Möglichkeiten gearbeitet, durch Einnahme von Medikamenten, Rezeptoren der männlichen Sexualhormone so zu beeinflussen, dass deren fördernde Wirkung auf die Entstehung von Harnsteinen unterdrückt wird. Lifestyle-Empfehlungen können mitunter ohne hinreichende Evidenz sein, sodass Patientinnen und Patienten von ihrer Umsetzung nicht zwingend profitieren – es ist auf die Herkunft der Informationsquelle zu achten. Zudem spielt es eine Rolle für welchen Typ Harnsteine diese gelten. So wäre das Anstreben eines höheren pH-Wertes im Urin (Alkalisierung) eine sinnvolle Maßnahme zur Vorbeugung von Harnsäure- und Cystinsteinen, nicht jedoch, um die Bildung von Struvitsteinen im Rahmen einer Harnwegsinfektion zu verhindern. Generell besteht ein relevanter Zusammenhang zu einigen sogenannten Volkskrankheiten wie Adipositas, Diabetes mellitus Typ 2 und Bluthochdruck. Lifestyle-Anpassungen in Absprache mit Ihrer Hausärztin oder Ihres Hausarztes können definitiv als sinnvoll erachtet werden, nicht nur zur Prävention der Harnsteine. Wie zu Beginn beschrieben, entstehen Harnsteine im Rahmen eines gewissen stofflichen Ungleichgewichts im Urin, entsprechende Diätanpassungen, um die Zufuhr bestimmter Stoffe zu regulieren, sind empfehlenswert. Bei allen Steinarten gilt: viel Wasser trinken! Es gibt Unterschiede zwischen Leitungs- und Mineralwasser, zunächst sollte die tägliche Wasserzufuhr über 2 Litern liegen. Auf gleichmäßiges Trinken sollte geachtet werden. Hydrogencarbonat (HCO3-) kann zur Alkalisierung des Urins beitragen. Zitrussäfte haben einen ähnlichen Effekt. Auf zuckerhaltige Getränke, Alkohol und Koffein sollte weitestgehend verzichtet werden. Weiterhin – je nach Art des Steinleidens – sollten die Salz- und Calciummenge, der Fleischkonsum sowie die Zufuhr oxalatreicher Kost im Auge behalten werden. Hier sind vor allem Spinat, Rhabarber, Weizen, Bohnen und Sesam zu nennen.

Fazit

Schon heute sind Harnsteine in Deutschland weit verbreitet, die Häufigkeit wird in Zukunft wohl weiter zunehmen, sodass der Zugang zu fundiertem Wissen eine wichtige Maßnahme zur Prävention darstellt. Ferner treten Harnsteine sehr häufig wiederholt auf, es kommt zu sogenannten Rezidiven. Sowohl Menschen mit Harnsteinen als Nebenbefund, als auch Menschen, die bereits eine Nierenkolik erlebt haben, sollten die Möglichkeit haben, eine aktive Rolle in der Handhabung der zugrundeliegenden Erkrankung einzunehmen. Insbesondere nach der Erstdiagnose Harnsteine sollten daher spontan mit dem Urin abgehende Kristalle - wenn möglich - aufgefangen werden, um diese im Labor untersuchen lassen zu können. Dann kann auf die Ursache geschlossen werden und eine erfolgreiche Langzeittherapie sowie Rezidivprophylaxe eingeleitet werden.

Literatur

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